MONGOLIA
Reich ist, wer mehr Träume in der Seele hat, als die Wirklichkeit zerstören kann. Hans Kruppa, Dichter und Schriftsteller
Ein Jahr reisen
Das war schon immer mein Traum. Aber es soll kein Traum bleiben.
Wir buchten im Globetrotter die Flüge und im Internet die erste Tour in der Mongolei über einen Ein-Mann-Reiseanbieter, denn wir wollten nicht eine typische Touristentour machen, sondern etwas Spezielles. Meine seit Monaten installierte Countdown-App zählte für mich die Tage, ich konnte es kaum erwarten!
Aus dem Reisetagebuch
…denn nun werden drei Kamele und zwei Pferde gesattelt, während wir mit der elfjährigen Tochter auf Mongolisch die Pferde und Ziegen zählen. Die Kamele werden unsere Ausrüstung tragen und die Pferde unsere beiden Guides «Dascha» und «Cuukscha»; zwei Mongolen wie im Bilderbuch! Mit ihren dicken Kleidern und Stiefel und den von der Wildnis gezeichneten Gesichtern, den spröden Händen und den beiden Pferden sind sie der Inbegriff der Mongolei.
So gehen wir zu Fuss ins wunderschöne, einsame Tal hinein, die Flussüberquerungen tun wir zu Pferd, von den Kamelen und ihrer Grösse sind wir total fasziniert. Nach zirka sechs Stunden erreichen wir unser Camp; Dascha und Cuukscha bauen die Zelte auf und wir 3 Mädels gönnen uns ein «Bad» im eisig kalten Fluss. Nach dem Abendessen entsteht eine bilderbuchhafte Lagerfeueratmosphäre, wir diskutieren so gut es geht, was immer wieder für Gelächter sorgt. Wir verbringen eine wunderbare Zeit am Feuer, bevor wir uns todmüde in den Schlafsack kuscheln.
Die nächsten Tage sind gezeichnet von kalten Nächten und Morgen, unendlich weiten Landschaften, Abende am Lagerfeuer. Das Herz und die Seele scheinen sich zu weiten wie die Landschaft, der Alltag ist ganz weit weg. Mit dem jüngsten Kamel «Timee» haben wir drei Mädels dicke Freundschaft geschlossen. Dascha hat heute ein Murmeli gejagt, das gäddrige Ding darf Aline zum Znacht essen. Aber es ist faszinierend: das Fleisch wird gegessen, das Fell verkauft, die Innereien gekocht und verwertet und die Knochen für Bouillon ausgekocht. Mit den fettigen Händen werden noch die Stiefel eingeschmiert.
A propos einschmieren: heute hat mich das Kamel erwischt! Als ich so neben dem am Boden liegenden Timee hockte – und es das wiedergekaute Essen zwischen seinen Zähnen mahlte – dreht es seinen riiiesigen Kopf zu mir, schaut mir voll in die Augen (und kaut, und mahlt, und kaut, und mahlt) und plötzlich! Wuuäääch… pflätsch… hab ich die ganze grün-graue Sosse in meinen Haaren. Aline und Nicole können sich kaum halten vor Lachen, während ich im eiskalten Fluss versuche, das Zeug aus meinen Haaren zu kriegen.Wir erleben das Wetter hautnah, ob kalt oder wärmer, ob Wind oder still, ob wir mit der Sonne oder dem Rauhreif erwachen – stets zauberhafte Landschaften. Wir steigen den Pass zwischen «Hachra Mountain» und «Turgan Mountain» hoch und werden mit einer grandiosen Aussicht belohnt, um dann stundenlang über Steppe zu gehen… bis wir endlich das Camp erreichen. An diesem Abend begleitet uns Cuukscha über die Hügel zum Blue Lake, Black Lake und Green Lake, allesamt wunderschön mit grandioser Aussicht! Hier lernen wir das mongolische Wort für «wunderschön»: ächm-schigg-tee!
An einem Abend prophezeit uns Dascha mit «Schaf-Gäggeli» unsere Zukunft… er würfelt und würfelt und ist hochkonzentriert… wir müssen uns beherrschen, um nicht in schallendes Gelächter auszubrechen, die Situation ist so urkomisch…. Eines Morgens erwachen wir, nachdem in der Nacht Schneeregen auf unser Zelt niedergeprasselt ist. Die weiss-grüne Landschaft am Morgen ist atemberaubend! Heute dürfen wir ein Stück auf den Kamelen reiten und halten an einem wunderschönen Campingplatz am Fluss, geziert mit kleinen Bäumen, Steinen und Felsen. Dascha ist in bester Laune, er redet mit Händen und Füssen, Gestik und Mimik, setzt sich einen Schneeklumpen auf den Kopf und posiert vor der Kamera. Dann verschwinden Bimba und Cookscha in den Büschen und kommen zwei Stunden später mit violetten Munden und Zähnen zurück: Blaubeeren! Sie haben Blaubeeren gesammelt und die gibt es dann zum Dessert.Unser letzter Abend am Lagerfeuer ist sehr berührend: wir singen mit Dascha und Cuukscha und halten eine kleine Dankensrede. Als Dascha beim Singen mit meinem kleinen Fotostativ und einer Petflasche ein Mikrofon imitiert, ist klar: er ist ein kleiner Witzknollen!
Die Nacht ist kalt, am Morgen hat es wieder einen Flaum Schnee. Wo die Kamele genächtigt haben, ist jetzt ein schneefreier Abdruck am Boden zu sehen. Wir wandern an diesem letzten Trekkingtag durch wunderschöne, farbige und rötliche Landschaft um einen Berg herum. Nach ein paar Stunden müssen wir schweren Herzens Abschied von Cuukscha und Dascha nehmen; unsere beiden vertrauensvollen Nomaden, die uns nicht nur sicher und heil durch die Wildnis geführt haben, sondern uns auch einen Teil der mongolischen Kultur und Wesenszüge vermittelt haben. Wir nehmen auch Abschied vom tagelangen Wandern, denn der «Russian Jeep» wartet schon...